G7-Gipfel

Im Wortlaut

Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel zum Abschluss des G7-Gipfels in Elmau

in Elmau

Thema: G7-Gipfel auf Schloss Elmau                                                                                   

Sprecher: Bundeskanzlerin Angela Merkel

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)

BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, ich möchte Sie herzlich zur Abschluss-Pressekonferenz des G7-Gipfels und des Outreach-Teils am 7. und 8. Juni hier in Schloss Elmau begrüßen.

Ich darf sagen, dass der G7-Gipfel ein sehr arbeitsintensives, ein sehr konzentriertes, aber auch ein sehr produktives Treffen war, das die Stärke dieses Gesprächsformats noch einmal gezeigt hat. Was verbindet uns bei den G7-Mitgliedstaaten? Es ist mehr als Wohlstand und Wirtschaftskraft; vielmehr teilen die G7 gemeinsame Werte wie Freiheit, Demokratie und Menschenrechte. Dazu zählen natürlich auch Themen wie Rechtsstaatlichkeit, Wahrung des Völkerrechts und Wahrung der territorialen Integrität. Deshalb kann man sagen: G7, das ist eine Verantwortungsgemeinschaft. Wir wollen ein werte- und regelbasiertes Wirtschaftssystem und wir wollen die Globalisierung auch gemeinsam im Sinne dieser Werte gestalten.

Wir sind dieser Verantwortung durch unsere Beschlüsse auf etlichen Gebieten gerecht worden, und das in einem Jahr, in dem sich vieles über die internationale Gestaltung der Globalisierung entscheiden wird. Wir haben im Herbst die Verabschiedung der neuen Entwicklungsziele auf der UN-Vollversammlung und im Dezember die Klimakonferenz in Paris vor uns. Wir haben deshalb neben den klassischen G7-Themen die Themen internationale Klimafragen, Entwicklungspolitik, Stärkung von Frauen sowie Gesundheitsfragen in den Fokus unserer Agenda gesetzt.

Wir hatten auch eine umfassende außenpolitische Diskussion. Ich will auf einige der Schwerpunkte eingehen.

Einmal gab es ein sehr großes Einvernehmen mit Blick auf die Befassung mit der Ukraine. Wir verurteilen einvernehmlich die völkerrechtswidrige Annexion der Krim. Wir sagen, dass der Konflikt im Südosten der Ukraine nur politisch gelöst werden kann, und zwar auf der Grundlage der Vereinbarungen von Minsk. Wir haben ein Einvernehmen darüber, dass die Aufhebung von Sanktionen an die Umsetzung der Vereinbarungen von Minsk gebunden ist. Wir sind auch bereit ‑ sollte das erforderlich sein, was wir aber nicht wollen ‑, gegebenenfalls Sanktionen zu verschärfen, falls die Lage das notwendig macht. Wir wollen aber alles darauf setzen, den politischen Prozess von Minsk voranzubringen. Wir unterstützen die Ukraine dabei, in ihrem schwierigen Reformprozess ökonomische Reformen voranzubringen und Korruption zu bekämpfen. Wir haben auch gesagt, dass die G7-Botschafter in Kiew sozusagen eine Unterstützergruppe bilden sollten, die die Ukraine bei der Umsetzung ihrer wirtschaftlichen Reformen und im Kampf gegen Korruption unterstützen soll.

Einen großen Schwerpunkt nahmen die Themen Mittelost, Nordafrika und Nahost sowie das Thema der Terrorismusbekämpfung ein. Wir haben mit den Präsidenten Nigerias und Tunesiens sowie dem Ministerpräsidenten des Irak das Thema der Terrorismusbekämpfung in einer eigenständigen Sitzung besprochen. Diese Staaten sind mit einem extremen Terrorismus konfrontiert. Sie verfügen zum Teil über schlechte Infrastrukturen. So ist es zum Beispiel unsere gemeinsame Aufgabe ‑ und das haben wir festgelegt ‑, Tunesien dabei zu helfen, seine Grenze zu Libyen besser bewachen zu können. Einzelne Versuche und Anstrengungen hierzu gibt es schon, aber diese müssen besser gebündelt werden.

Wir sagen, dass die Bekämpfung des Terrorismus im Grunde zwei Seiten hat: Auf der einen Seite ist es oft das Nichtvorhandensein von Strukturen, das es den terroristischen Gruppen ermöglicht, Zugang auch zur Bevölkerung zu bekommen. Auf der anderen Seite sind es hasserfüllte Gruppierungen, von denen dieser Terrorismus ausgeht ‑ das sieht man sowohl bei Boko Haram als auch bei IS. Wir sagen: Die beste Möglichkeit, im Kampf gegen diese terroristischen Gruppierungen erfolgreich zu sein, ist ein inklusives, ein kohärentes Vorgehen in den betroffenen Ländern. Religiöse Minderheiten und Mehrheiten müssen zusammenarbeiten. Dies ist zum Beispiel in Nigeria ein Thema, und der nigerianische Präsident hat sich hier sehr klar dafür ausgesprochen, inklusiv vorzugehen, genauso wie der Ministerpräsident des Irak uns am Beispiel der Sunniten und der Schiiten im Irak, aber auch der Kurden, deutlich gemacht hat, dass sein Anspruch ist, im Land gemeinsam vorzugehen, und dass man glaubt, nur so auch wirklich Erfolge erzielen zu können.

Wir haben in diesem Zusammenhang auch eine ausführliche Diskussion zu Libyen geführt. Wir geben dem Verhandler der Vereinten Nationen, Bernardino León, alle Unterstützung. Es muss in Libyen zu einer nationalen Regierung kommen. Gerade aus europäischer Sicht ist dies natürlich von größter Bedeutung; denn die Flüchtlingsströme über das Mittelmeer haben auch etwas mit der Situation in Libyen zu tun.

Ein klassischer Punkt bei der G7-Beratung ist das Thema der Weltwirtschaft. Wir stellen fest, dass es eine weltwirtschaftliche Erholung gibt. Nach den Prognosen des IWF werden in diesem Jahr alle G7-Länder Wachstum haben. Wir haben einen intensiven Austausch über neue Herausforderungen geführt, und natürlich auch darüber, dass es eine wachsende Bedeutung der Schwellenländer gibt. Diese Diskussion wird im Herbst auf dem G20-Gipfel in der Türkei fortgesetzt werden.

Breiten Raum hat das Thema des Handels eingenommen. Wir bekennen uns zu den Zielen der Welthandelsorganisation. Wir wollen die Doha-Runde abschließen. Bei den heutigen Outreach-Sitzungen war auch der Chef der Welthandelsorganisation anwesend, und er hat uns sehr gebeten, diesen Prozess zu unterstützen.

Gleichzeitig haben wir intensive Verhandlungen zu bilateralen Freihandelsabkommen. Wir wollen CETA abschließen. Wir wollen das Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika voranbringen und noch in diesem Jahr deutliche Fortschritte auf dem Weg hin zu einem Abkommen erreichen. Wir sehen, dass das Transpazifische Abkommen, das die Vereinigten Staaten und Kanada mit dem pazifischen Raum abschließen werden, sozusagen auf den letzten Metern ist. Wir glauben, dass aus europäischer Sicht gerade auch die Verhandlungen mit Japan über das EU-Japan-Freihandelsabkommen mit Hochdruck geführt werden sollten.

Die G7 sind, wenn man den EU-internen Handel noch dazurechnet, für 50 Prozent des Handels weltweit verantwortlich. Das heißt, wir haben auch eine große Verantwortung im Zusammenhang mit Lieferketten, also im Zusammenhang mit der Aufgabe, für vernünftige Arbeitsbedingungen nicht nur in unseren eigenen Ländern Sorge zu tragen, sondern auch alles dafür zu tun, dass auch in den Produktionsländern vernünftige Arbeitsbedingungen herrschen. Wir alle haben die schrecklichen Bilder von Rana Plaza in Bangladesch vor Augen. Ich freue mich, dass es jetzt gelungen ist, zusammen mit der ILO, der Weltarbeitsorganisation, endlich das Versprechen wahrzumachen, die 30 Millionen Euro, die für die Opfer der schrecklichen Ereignisse von Rana Plaza und ihre Angehörigen versprochen waren, bereitzustellen. Das ist jetzt geschafft. Wir setzen uns auch dafür ein, dass ein Vision Zero Fund gegründet wird, also ein allgemeiner Fonds, bei dem dann bessere Arbeitsbedingungen versichert werden können; denn wir glauben, dass das Thema besserer Arbeitsbedingungen in vielen Ländern Asiens und Afrikas heute noch nicht zufriedenstellend gelöst ist. Ich glaube, dieses Thema wird auch in den nächsten Jahren weiterhin eine große Rolle spielen.

Im Zusammenhang mit der Weltwirtschaft haben wir dann natürlich auch über das Thema der Finanzmarktregulierung gesprochen. Hier will ich nur noch einmal daran erinnern, dass die Regulierung der Schattenbanken noch aussteht. Darauf werden wir bei den G20 dann zurückkommen. Wir setzen darauf, dass die Zeitpläne, die hier abgeschlossen wurden, auch wirklich eingehalten werden.

Auch die Bekämpfung der Korruption war ein Thema. Die japanische Präsidentschaft wird das Thema Korruptionsbekämpfung im nächsten Jahr wieder auf die Tagesordnung setzen.

Ein wichtiger Punkt und eine Frage, die viele an uns hatten, war die Frage: Was wird die G7 zur Frage des Klimaschutzes, des Klimawandels und der Notwendigkeit, ein Abkommen abzuschließen, sagen? Wir haben uns als G7 sehr klar dazu bekannt, dass wir verbindliche Regeln im Kern des Abkommens brauchen. Die Welt hat heute keine verbindlichen Regeln, deshalb muss das das Ziel von Paris sein. Wir wollen sicherstellen, dass alle Länder in die Lage versetzt werden, Entwicklungspfade einzuschlagen, die es ermöglichen, die Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur unter einer Grenze von zwei Grad Celsius zu halten ‑ also ein klares Bekenntnis zum Zwei-Grad-Ziel.

Wir wissen, dass wir dafür tiefe Einschnitte bei den weltweiten Treibhausgasemissionen brauchen, und haben uns deshalb dazu bekannt, dass wir im Laufe dieses Jahrhunderts eine Dekarbonisierung der Weltwirtschaft brauchen. Wir sind uns darin einig, dass wir für die Erreichung des globalen Klimaziels erhebliche Reduktionen beim Ausstoß von Klimagasen, das heißt, eine erhebliche Reduktion der Treibhausgasemissionen brauchen. Wir bekennen uns zu den Empfehlungen des IPCC, der eine 40- bis 70-prozentige Reduktion der Klimagase bis 2050 gegenüber 2010 vorschlägt, und sagen, dass wir uns im oberen Ende dieser Empfehlungen bewegen müssen ‑ also dass 40 Prozent eindeutig zu wenig sind und wir eher das obere Ende des Bereichs zwischen 40 bis 70 Prozent anstreben. Wir wissen natürlich, dass wir dafür eigene Beiträge leisten müssen. Die G7-Länder haben solche Verpflichtungen zu eigenen Reduktionszielen auch abgegeben bzw. werden sie abgeben.

Wir haben uns auch dazu bekannt, dass wir die Klimafinanzierung mit sicherstellen wollen. Das können wir nicht alleine machen, aber wir bekennen uns zu dem Ziel, ab 2020 jedes Jahr 100 Milliarden Dollar aus privaten oder öffentlichen Mitteln zur Verfügung zu stellen. Es wird sehr wichtig sein, dass wir dieses Ziel vor der Klimakonferenz in Paris auch wirklich darstellen können; denn viele Entwicklungsländer und viele kleine Inselstaaten werden überhaupt nur dann mit dem Ziel nach Paris fahren, ein Abkommen zu erreichen, wenn wir uns auch zu diesem Finanzierungsziel bekennen. Wir haben dazu zwei Initiativen entwickelt. Die eine ist, dass die Zahl der Versicherten gegen Schäden von klimabedingten Wetterereignissen zu vervierfachen ist. Bis 2020 werden das 400 Millionen Menschen sein. Ein zweites Ziel, das wir zusammen mit den afrikanischen Ländern erreichen wollen ‑ das ist ein Vorschlag der Kommission der Afrikanischen Union ‑, ist eine Initiative für erneuerbare Energien, im Rahmen derer wir mit Blick auf Paris einen Plan ausarbeiten werden, um den Zugang afrikanischer Länder zu sauberer Energie, zu erneuerbaren Energien zu verbessern.

Ein Thema, das eine große Rolle eingenommen hat und das mir auch sehr am Herzen liegt, ist das Thema der Gesundheit. Wir alle haben gesehen, dass wir auf die Herausforderungen der Ebola-Krise schlecht reagiert haben. Wir haben heute Mittag noch einmal intensiv über die Frage diskutiert: Was müssen wir tun? Wir müssen natürlich die Gesundheitssysteme in vielen Ländern verbessern. Hierzu haben die Vereinigten Staaten eine Initiative vorgeschlagen, 60 Ländern ein nachhaltiges Gesundheitssystem zu ermöglichen und daran mitzuarbeiten. Dazu haben wir uns bekannt.

Wir brauchen zweitens koordinierte internationale Mechanismen. Deshalb haben wir uns entschieden, als G7 eine Fazilität, also einen Finanzrahmen bei der Weltbank zu schaffen, der sich mit der Bekämpfung von Pandemien beschäftigt. Der Weltbankpräsident hat heute noch einmal dargelegt, was wir dann für eine umfassende Reaktionsfähigkeit der internationalen Staatengemeinschaft leisten müssen. Die Vereinten Nationen werden in einem Panel, das Ghana, Norwegen und Deutschland angeregt haben, bis zum Jahresende Vorschläge machen, was wir tun müssen, und dann werden wir gemeinsam mit der WHO und der Weltbank einen solchen Mechanismus ausarbeiten, um international besser auf Pandemien reagieren zu können. Das kann viele Menschenleben retten.

Unter den Gesundheitsthemen sind noch zwei andere Themen, die Sie dann auch im Kommuniqué nachlesen können. Erstens: der Kampf gegen Antibiotikaresistenzen. Das ist ein Thema, das die entwickelten Länder und die Entwicklungsländer gleichermaßen interessiert und für beide wichtig ist. Man denkt immer, gegen alle Krankheiten seien Antibiotika vorhanden ‑ aber wenn einmal Resistenzen auftreten, dann ist es heute sehr, sehr schwer, neue Antibiotika zu entwickeln. Hier haben uns die nationalen Akademien der G7-Staaten geholfen, Maßstäbe zu entwickeln und Handlungen durchzuführen, mit denen wir dann besser die Entwicklung von Antibiotika begleiten können und die sachgerechte Anwendung von Antibiotika sicherstellen können. Dazu haben sich die G7-Staaten zu dem einen Gesundheitsansatz bekannt. Was heißt das? Das heißt, Menschen und Tier gleichermaßen in den Blick zu nehmen und Antibiotika auch verschreibungspflichtig zu machen. Das ist von äußerster Wichtigkeit für den sachgerechten Umgang.

Da wir in diesem Jahr die Entwicklungsziele verabschieden müssen ‑ die sogenannten Sustainable Development Goals, die sich an die Millennium-Entwicklungsziele, die bis 2015 gelten, anschließen ‑, haben wir uns auch mit diesem Thema beschäftigt. Eines der Haupt- und Kernthemen war hierbei, dass wir uns zu dem Ziel bekennen, dass bis 2030 der Hunger auf der Welt bekämpft sein soll. Die G7-Staaten verpflichten sich, zusätzlich 500 Millionen Menschen aus der Situation herauszunehmen, dass sie unter akutem Hunger leiden. Damit verpflichten wir uns zu einem doch substanziellen Beitrag im Kampf gegen den Hunger auf der Welt, der bis 2030 erfolgreich geführt sein soll.

Letzter Punkt: Das Thema der Frauen hat bei vielen, vielen Themen immer wieder eine große Rolle gespielt. Ob es um Ernährungssicherung geht, ob es um Korruptionsbekämpfung geht, ob es um vernünftige Arbeitsbedingungen geht: Bei all diesen Themen steht auch das Thema von Frauen im Mittelpunkt. Die OECD hat uns noch einmal deutlich gemacht, dass es hier nicht nur in den Entwicklungsländern erheblichen Nachholbedarf gibt, sondern dass auch in den Industrieländern die strukturellen Unterschiede zwischen Männern und Frauen durchaus vorhanden sind ‑ zum Beispiel im Bereich der Selbstständigkeit. Deshalb war dies ein Thema, und ich werde Frauen aus den entwickelten Ländern genauso wie aus Entwicklungsländern zu einer Konferenz im September einladen, in der wir das Thema noch einmal bearbeiten werden. Es geht hierbei vor allem auch um mehr Berufsausbildung für Frauen aus den Entwicklungsländern. Wir haben uns als G7 verpflichtet, dafür zu sorgen, dass bis 2030 ein Drittel mehr Frauen eine Berufsausbildung bekommen, als es der Fall sein würde, wenn wir so weitermachten wie bisher ‑ also auch hier eine recht konkrete Zielsetzung.

Wir haben inzwischen einen Prozess aufgesetzt, und es gibt auch unabhängige Institutionen, die überwachen, welche Zielsetzungen unserer G7-Treffen wir auch wirklich umsetzen. Hier gibt es bei den Zielen ‑ so die Universität von Toronto ‑ eine Erfüllungsrate von etwa 80 Prozent. Deutschland ist mit 87 Prozent recht gut dabei. Das heißt, wir werden auch im nächsten Jahr, unter der japanischen G7-Präsidentschaft, überprüfen: Wo stehen wir im Vergleich zu dem, was wir jetzt miteinander besprochen haben? Insofern ist vieles von dem, was wir hier miteinander beschlossen haben, etwas, woran wir in den nächsten Monaten noch sehr hart arbeiten müssen. Ich glaube aber, es zeigt sich, dass wir als G7 weit über den Wohlstand in unseren eigenen Ländern hinaus Verantwortung übernehmen wollen. Deshalb waren auch die heutigen Outreach-Treffen, also die Treffen mit unseren Gästen, von großer Bedeutung.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Präsident Putin saß in Elmau ja nicht am Tisch, dennoch haben Sie und Ihre G7-Partner sehr viel über Russland gesprochen. Angesichts der Bedingungen, die die G7 dafür stellt, dass Russland zurückkommen könnte, kann man davon ausgehen, dass das nicht wieder klappt. Mit welchen Erfolgschancen rechnen Sie dann bei dem Gesprächsprozess zur Lösung der Syrien-Krise? Oder setzen Sie eher auf eine Ära nach Putin?

BK'in Merkel: Nein. Wir haben im Übrigen, gemessen an der Zeit, die wir miteinander verbracht haben, nicht überproportional viel über Russland gesprochen. Das wird zwar gesagt; wir haben aber nur an einem Beispiel, dem Ukraine-Konflikt, über Russland gesprochen, und haben über andere Konfliktherde sehr viel länger und sehr viel intensiver gesprochen ‑ zum Beispiel, wie gesagt, über die Situation im Kampf gegen den Terrorismus.

Wir haben ja mehrere Gesprächsformate, in denen Russland auf ganz natürliche Weise beteiligt ist. Das Normandie-Format ist das eine ‑ dazu gibt es ein klares Bekenntnis, auch im Kommuniqué der G7. Das ist für uns eine wichtige Unterstützung. Zweitens gibt es die E3+3- bzw. die P5+1-Verhandlungen im Zusammenhang mit dem Nuklearprogramm des Iran. Hier ist Russland seit Jahr und Tag Partner. Dieses Format zeigt ja, dass auch andere internationale Krisen zusammen mit Russland bekämpft werden können. Auch bei der Behandlung des Syrien-Konflikts wird es sicherlich erforderlich sein, dass Russland dabei ist. Hier wäre es sehr wünschenswert, dass es zu einem Abkommen mit dem Iran kommt; denn auch der Iran ist natürlich ein wichtiger Akteur im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg in Syrien und mit dem Kampf gegen IS.

Insoweit setzen wir in diesen internationalen Fragen natürlich auf die Kooperation und auf die Zusammenarbeit mit Russland. Ich habe aber auch dargestellt, was die Gesprächsatmosphäre, die Gesprächsinhalte und die Wertebasis, auf der wir hier arbeiten, darstellt. Deshalb war das hier eine Diskussion unter Sieben.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Ihre nichteuropäischen Partner haben vor allen Dingen gefragt, was Sie mit Griechenland und der Eurozone vorhaben. Ich würde gerne wissen: Was haben Sie denen geantwortet?

Es wurde von amerikanischer Seite auch auf 2008 und die Lehman Brothers verwiesen ‑ das Risiko bestand damals auch darin, was danach passiert. Halten Sie das für vergleichbar, was die Lösung des griechischen Problems betrifft?

BK'in Merkel: Ich denke schon, dass das zwei sehr unterschiedliche Themensetzungen sind. Wir haben aber über Griechenland gesprochen. Ich würde auch hier sagen: Dieses Thema hat keinen besonders großen Raum eingenommen. Aber ich habe ja gesagt: Im Zusammenhang mit der Weltwirtschaft und auch der wirtschaftlichen Situation im Euroraum hat man sich natürlich vonseiten derer, die nicht Teil der Europäischen Union sind, erkundigt, wie die Verhandlungen laufen. Die Chefin des IWF, Christine Lagarde, war heute ja auch dabei; auch Jean-Claude Juncker war dabei. Insofern war das eines von vielen Themen.

Wir haben hier sehr gemeinschaftlich argumentiert. Wir möchten, dass Griechenland Teil der Eurozone bleibt. Wir haben aber auch die klare Aussage getroffen, dass Solidarität vonseiten der europäischen Länder und auch des IWF mit Griechenland auf der anderen Seite erfordert, dass Griechenland Maßnahmen vorschlägt und umsetzt. Es gibt eine gemeinsame Position der drei Institutionen; das ist schon einmal ein großer Fortschritt, und auf dieser Basis laufen jetzt die Gespräche. Man muss schon sagen: Es ist nicht mehr viel Zeit. Das ist das Problem, und deshalb muss mit aller Intensität gearbeitet werden. Schon übermorgen wird es die Möglichkeit geben, auch mit dem griechischen Ministerpräsidenten in Brüssel angesichts des EU-Lateinamerika-Gipfels noch einmal darüber zu sprechen, wie weit man gekommen ist. Ich kann aber nur sagen: Jeder Tag zählt jetzt, wenn es darum geht, die notwendige Arbeit noch zu erledigen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, ich hätte ganz gerne noch einmal bei der Wertegemeinschaft angeknüpft. Sie haben gesagt: Die Beratungen der G7 haben so stattgefunden, wie sie stattgefunden haben. Ist darüber gesprochen worden, ob man den Kreis der "like-minded", die ähnliche Werte haben, vielleicht ausweitet? Denn es gibt ja auch noch andere Länder wie Australien oder Indien, die als westliche Demokratien gelten.

Zweitens. Frühere G7-Gipfel waren oft von Auseinandersetzungen zwischen Amerikanern und Europäern geprägt; zum Beispiel gab es in wirtschaftlichen Fragen gegenseitige Ermahnungen. Gab es das diesmal auch? Wenn nicht: Warum nicht?

BK'in Merkel: Ich denke, weil jetzt alle wieder auf einem Wachstumskurs sind, ist die Frage, welchen ökonomischen Weg man am besten geht, nicht mehr im Zentrum der Debatten. Wir haben deshalb an dieser Stelle eine sehr harmonische Diskussion geführt. Man muss ja eher sehen, dass weltweit durchaus einige Länder umsteuern. China zum Beispiel hat nicht mehr die hohen Wachstumsraten, die es einmal hatte ‑ einfach auch, weil man die Qualität des Wachstums verändert. Das war hier also keine kontroverse Diskussion. Ich denke, das ist vor allen Dingen der Tatsache geschuldet, dass wir alle wieder auf einem Wachstumskurs sind ‑ wenn auch auf einem moderaten.

Zu Ihrer ersten Frage: Ich glaube, wir haben hier jetzt ein sehr intensives Diskussionsformat gefunden; das waren zum Teil auch sehr spannende Diskussionen. Wir haben auf der anderen Seite das Format der G20. Dort sind alle sonstigen wichtigen Ökonomien dabei, die natürlich sehr unterschiedliche gesellschaftliche Systeme haben ‑ sei es China, sei es Indien, sei es Australien, sei es die Türkei; Sie haben die Länder genannt. Weitere Formate haben wir aber nicht ins Auge gefasst. Wir sind mit der Arbeitsatmosphäre hier eigentlich sehr zufrieden gewesen und haben uns auch eine Menge Aufgaben gestellt. Diese Aufgaben würden, glaube ich, auch wieder ganz anders aussehen, wenn man zum Beispiel Indien mit dabei hätte; denn hier stünde die Frage der eigenen indischen Entwicklungsagenda noch sehr viel stärker im Vordergrund als die Frage: Was können wir für Afrika und andere mehr tun? Das Format hat sich hier also ‑ nach übereinstimmender Bewertung, glaube ich ‑ bewährt.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben sich erneut zu dem Zwei-Prozent-Klimaziel bekannt. Können Sie sagen, wie Sie vor allem den japanischen Teilnehmer am Tisch dazu bewegen konnten, das mitzutragen?

Zweitens zum Thema der Freihandelsabkommen: Hat Präsident Obama Ihnen versichern können, dass TTIP nach wie vor auf der Agenda in Washington bleibt? Es sieht so aus, als könne er nächste Woche die PTA beim Transpazifischen Freihandelsabkommen sehr schnell durchziehen. Man könnte ja denken, dass das Transatlantische Freihandelsabkommen dann etwas zurückfällt. Haben Sie darüber mit dem Präsidenten gesprochen, und was konnte er Ihnen dazu sagen?

BK'in Merkel: Zu Ihrer ersten Frage: Wir haben uns zum Zwei-Grad-Ziel ‑ nicht Zwei-Prozent-Ziel, sondern Zwei-Grad-Ziel ‑ bekannt. Die ganzen Klimaformulierungen waren das Ergebnis harter Verhandlungen. Sowohl für das Wort "bindend" im Zusammenhang mit den Zielen dieses Klimaabkommens als auch für das Bekenntnis zum Zwei-Grad-Ziel, das Bekenntnis zum oberen Ende der 40- bis 70-prozentigen Reduktion der Treibhausgase und die Bekenntnisse zur Klimafinanzierung haben die Sherpas harte Arbeit leisten müssen. Da gab es aber nicht ein Land, das problematisch war. Ich glaube, es war gut, dass wir es zum Schluss insgesamt geschafft haben. François Hollande als Gastgeber der Klimakonferenz in Paris hat hier natürlich sehr viel Wert darauf gelegt; er war neulich ja auch zu Gast auf dem Petersberger Klimadialog. Deutschland und Frankreich wollen hier auch sehr gemeinsam agieren.

Was TTIP betrifft, ist es so, dass wir sehr offen gesprochen haben. Wir sind erst einmal froh, dass der amerikanische Präsident vom Kongress mit großer Wahrscheinlichkeit das Mandat für das Fast-Track-Verfahren bekommt. Wir wissen, dass das Transpazifische Freihandelsabkommen so gut wie verhandelt ist. Die gute Nachricht heißt also: In wenigen Wochen wird Zeit sein, sich voll und ganz um das Freihandelsabkommen der EU mit den Vereinigten Staaten von Amerika zu kümmern. Wir sind hier auch durchgegangen, was die Dinge sind, die im Augenblick im Raum stehen. Der amerikanische Präsident hat ein klares Bekenntnis zu dem Wunsch abgelegt, hier ein Ergebnis zu erreichen. Man darf aber nicht übersehen, dass in Europa zum Teil sehr kontroverse Diskussionen laufen. Das heißt, es ist auch an uns Europäern ‑ und das haben wir hier auch deutlich gemacht ‑, dass wir dieses Abkommen wollen. Wir waren uns einig: Es gibt Teile, die sind für uns schwierig ‑ das betrifft zum Beispiel das Thema der Schiedsgerichte ‑, und auf der anderen Seite wissen wir, dass es auch Teile gibt, die für die Amerikaner nicht einfach sind ‑ zum Beispiel die Public Procurements, also dieses "Buy American". Da muss man auch ehrlich zueinander sein ‑ nicht nur Europa hat Schwierigkeiten, sondern auch für die Vereinigten Staaten gibt es schwierige Punkte. Jetzt muss man sehen, dass man durch kluge Verhandlungsführung trotzdem vorankommt. Das haben wir sehr im Detail besprochen, und wir haben uns dazu bekannt, es bis zum Jahresende in wichtigen Fragen zu einem Erfolg zu bringen.

Frage: Sie haben das Thema Korruptionsbekämpfung unter der nächsten Präsidentschaft angesprochen. Hat der FIFA-Skandal eine Rolle gespielt?

BK'in Merkel: Er hat nur dahingehend eine Rolle gespielt, als David Cameron gesagt hat, dass nicht nur bei der FIFA, sondern auch an vielen anderen Stellen auf der Welt Fragen der Korruption zu klären sind, dass die Korruption in den Augen der Bevölkerung auch eine der Ursachen für mangelnde Glaubwürdigkeit von staatlichen Strukturen ist, dass das ein Grund dafür ist, dass gerade auch radikale und terroristische Gruppierungen in bestimmten Ländern Chancen haben, und dass das deshalb ein sehr tiefgehendes und breites Problem ist und deshalb einer umfänglichen Betrachtung bedarf.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, gestern platzte ja noch die Meldung in den Gipfel hinein, dass es Veränderungen bei der Deutschen Bank gibt. Hat Sie persönlich die Entscheidung der beiden Vorstandschefs überrascht? Wie bewerten Sie diese Entscheidung?

BK'in Merkel: Das ist eine Entscheidung eines Unternehmens. Diese Meldung hatte auf mich keinen Überraschungseffekt, aber ich will das auch nicht weiter kommentieren. Ich möchte, dass die Deutsche Bank erfolgreich arbeiten kann. Ihre Entscheidungen trifft sie selbst, so wie das jedes Wirtschaftsunternehmen in Deutschland tut.

Frage: Frau Merkel, Sie haben sich ja darauf verpflichtet, die Zahl der Hungerleidenden um 500 Millionen abzubauen. Wie schaut so eine Verpflichtung aus? Ist das mit finanziellen Zusagen hinterlegt, oder woraus kann man diese Verpflichtung wirklich ableiten?

Zum Thema Klima: Was bedeutet die Festlegung auf all diese Klimaziele, die Sie heute getroffen haben, für die innerdeutsche Debatte um die Klimaabgabe?

BK´in Merkel: Was das Ergebnis des Ziels anbelangt, dass wir den Hunger abbauen wollen, so ist von deutscher Seite erst einmal für die nächsten Jahre klargemacht worden, dass wir unsere Entwicklungshilfe in den nächsten Jahren um 8,3 Milliarden Euro erhöhen werden. Wir haben dabei mehrere Zusagen gemacht, und manche beziehen sich auch auf das Thema der Ernährungssicherheit. Das ist bis 2030 natürlich nicht durchfinanziert, aber wir haben bestimmte Abschätzungen vorgenommen. Da wir sehr lange darüber gesprochen haben, ob wir uns das zutrauen können, kann, glaube ich, das Ziel erreicht werden. Ich denke, es wird auch erreicht werden; aber nur, wenn wir es immer wieder auf die Agenda setzen. Wir sind ja alle nicht in der Lage, heute schon unsere Haushalte bis 2030 durchzufinanzieren. Aber aus den eingesetzten Mitteln der letzten Jahre und den Ergebnissen kann man prognostizieren und projizieren, wie man das schaffen kann.

Die deutsche Diskussion über die Klimaziele ist eine, die sozusagen noch aufgesetzt auf die internationale Diskussion stattfindet. Wir sind mit unserem Klimaziel von 40 Prozent Reduktion von CO2 gegenüber dem europäischen Ziel weit voran, was wir ja auch verbindlich in das Kyoto-Protokoll geschrieben haben. Deutschland hat noch einmal betont, dass es nicht nur seine europäischen Ziele erfüllen will, sondern auch seine deutschen Ziele. Wie wir das umsetzen, werden wir innerhalb der Bundesregierung in den nächsten Tagen diskutieren. Der Wirtschaftsminister ist immer noch in Gesprächen, wie Sie wissen. In der letzten Woche haben etliche stattgefunden, und auch in dieser Woche werden wieder welche stattfinden. Dann werden wir, glaube ich, zu einer guten Lösung kommen, inklusive aller anderen Fragen, die mit dem Thema Energie verbunden sind. Das sind zum Beispiel die Fragen der Leitungsstruktur, der Kapazitätsmärkte und viele andere Dinge.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, da kann ich gleich anschließen. Kommen Sie denn, nachdem Sie die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft und eine Transformation der Energieversorgung in den Industriestaaten einfordern, überhaupt noch an Einschnitten bei der Kohle vorbei?

BK’in Merkel: Wir werden unsere Ziele nur dann erreichen können, wenn wir in allen Bereichen Anstrengungen unternehmen. Es gibt eine ganze Reihe von Schwachstellen in Deutschland. Es ist für mich zum Beispiel absolut schwierig zu verstehen, dass es trotz der vielen rot-grünen Landesregierungen bis jetzt nicht möglich war, eine steuerliche Förderung der Gebäudesanierung hinzubekommen. Auch der Energiebereich wird einen Beitrag dazu leisten müssen. Man muss eine Unterscheidung treffen: Wir reden in Deutschland im Augenblick über die Erfüllung des Ziels für 2020, und bei der Dekarbonisierung sprechen wir über den Lauf des Jahrhunderts. Es sind schon noch verschiedene Dinge zu unterscheiden.

Wir haben im Augenblick in Europa eine Situation, das unser Instrument für die ganze Welt ‑ wir haben übrigens auch darüber gesprochen, dass wir uns das vorstellen können ‑, nämlich einen Emissionshandel, die Preissignale nicht so ausgibt, wie wir uns das wünschen, sodass Deutschlands Anstrengungen vor allen Dingen deshalb notwendig sind, weil wir im europäischen Strommarkt im Augenblick eine Vielzahl von Kohlestromexporten haben. Nicht für den eigenen Verbrauch, aber dort, wo der Strom erzeugt wird, werden die CO2-Emissionen angerechnet. Man kann sich sicherlich vorstellen, dass, wenn wir im Laufe der Jahre zu einem einheitlichen europäischen Energiemarkt kommen, nationale Ziele auch einen anderen Stellenwert bekommen. Ein integrierter europäischer Markt kann nur ein Ziel haben. Das wird auch in Zukunft ‑ aber erst nach 2020 ‑ zu berücksichtigen sein.

Frage: Einen schönen guten Tag, Frau Dr. Merkel. Ich bin von Epix Media in Köln. Ich hoffe, Sie gestatten mir eine Frage auf Englisch. Meine Frage ist Folgende: Es geht um die Frage des Terrorismus und um Boko Haram. Ich lebe hier seit 16 Jahren mit meiner Familie, komme aber ursprünglich aus Nigeria. 2012 gab es eine Sitzung in Berlin im Kanzleramt mit Goodluck Jonathan, wo ich auch dabei war. Ich habe damals mehrmals versucht, Fragen zu stellen. Sie haben mir sogar gesagt, dass ich Fragen stellen soll, aber der Präsident hat mich nicht gesehen. Es gibt auf der DVD nur meine Hand.

Ich bin 2011 zur Nationalversammlung nach Nigeria gefahren, und am 29. Juli kam ein junger Mann zu mir in mein Hotelzimmer in Nigeria. Das war, bevor Boko Haram überhaupt gegründet wurde. Er hat mir gesagt, dass Präsident Goodluck nicht noch einmal das Amt des Präsidenten anstreben sollte. Wenn die Regierung so geformt würde, würde eine ganze Reihe von Dingen geschehen. Ich habe ihn gefragt: Hat ein nigerianischer Beamter Ihnen gesagt, er soll nicht teilnehmen? Ist das das Problem? Im Laufe der Zeit dann ‑ ‑ 

STS Seibert: Können Sie bitte eine Frage stellen! Jeder andere hat Fragen gestellt, und das sollten Sie auch tun.

Zusatzfrage: Meine Frage: Wenn Ihnen jemand Informationen übermittelt oder etwas, was Ihnen oder der Regierung von Nigeria helfen kann, die Terroristen zu finden, wären Sie dann bereit, mit ihm zusammenzuarbeiten und diese Person zu schützen?

BK´in Merkel: Wir werden immer versuchen, den Informationen, die wir bekommen, nachzugehen. Das ist nicht immer ganz einfach, weil man natürlich auch die Quellen erforschen muss. Wo immer wir etwas tun können, tun wir etwas.

Es gibt aber auch souveräne Staaten, in deren Belange man sich nicht einfach einmischen und von außen intervenieren kann. Insofern muss man sich jeweils den konkreten Fall anschauen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, wurde während Ihrer Diskussionen die militärische Hilfe zum Beispiel in Form der Ausbildung des ukrainischen Militärs angesprochen?

Die OSZE-Beauftragte für die Ukraine, Heidi Tagliavini, legt ihr Amt nieder. Gefährdet das die Arbeit der trilateralen Gruppe? Kennen Sie vielleicht die Gründe dafür?

BK´in Merkel: Ich glaube, dass Frau Tagliavini eine ganz wunderbare Arbeit gemacht hat, es aber in der Natur der Sache liegt, dass man, da es eine sehr anstrengende Arbeit fern von der Heimat ist, das nicht unendliche Zeit macht. Das sind immer Ämter auf Zeit. Wir setzen alles daran, eine Nachfolge zu organisieren, die ebenbürtig ist und wo mit genau dem gleichen Elan an diesem Kontaktgruppenprozess und den dazugehörigen Arbeitsgruppen weitergearbeitet wird. Das ist von allergrößter Bedeutung, um das Minsker Abkommen durchzusetzen.

Was die Ausbildungshilfe im militärischen Bereich anbelangt, so sind das bilaterale Initiativen gewesen. Hier haben wir im Rahmen von G7 keine gemeinsamen Schlussfolgerungen gezogen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, ich würde gerne noch einmal das Thema Griechenland vertiefen. Wie groß ist eigentlich das Verständnis bei den internationalen Gesprächspartnern dafür, dass diese Krise jetzt schon fünf Jahre dauert? Wie groß ist die Sorge über einen möglichen "Grexit" und die Folgen?

BK´in Merkel: Alle diejenigen, die hier am Tisch waren, wünschen sich, dass Griechenland im Euroraum bleibt. Wie ich schon sagte, waren zwei Vertreter der Institutionen da. Wir haben auch Regeln. Wir haben in der Diskussion über den Euroraum darauf hingewiesen, dass wir sehr erfolgreiche Beispiele haben. Wenn ich daran denke, dass Irland, das ja auch ein hartes Programm zu durchlaufen hat, jetzt das Land ist, das unter den Euro-Mitgliedstaaten das größte Wachstum aufweisen kann, wenn wir sehen, dass in Spanien und Portugal neue Arbeitsplätze entstehen, obwohl die Arbeitslosigkeit immer noch sehr hoch ist, dann sehen wir, dass unsere Maßnahmen oder die Maßnahmen, die von den drei Institutionen vorgeschlagen wurden, auch zu Erfolgen geführt haben.

Wenn man in diesen Tagen Interviews der zypriotischen Politiker liest, dann erinnern sie sich nicht gerne an diese schwierigen Verhandlungen, sagen aber durchaus, dass Zypern wieder auf einem richtigen Weg ist. Wir haben uns zum Beispiel auch einmal den Vergleich zu dem IWF-Programm der Ukraine angeschaut. Die Ukraine hat jetzt dramatische Strukturreformen durchzuführen, was den Menschen sehr viel abverlangt. Insofern gab es keinen Zweifel daran, dass das, was wir immer sagen ‑ Eigenanstrengungen und Solidarität ‑ die richtige Mischung ist und dass das zwei Seiten ein und derselben Medaille sein müssen.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, zurück zu Sanktionen gegen Russland. Gab es eine konkrete Diskussion, wie die Sanktionen gegenüber Russland verschärft werden können? Ein kleines Beispiel wäre ein Embargo gegen Ersatzteile von Zivilflugzeugen.

Zweitens. Gab es eine Diskussion über die sehr häufigen Provokationen der russischen strategischen Bomber gegenüber dem Luftraum am Rande der souveränen Gebiete von vielen demokratischen europäischen Ländern?

BK´in Merkel: Das zweite Thema war kein Thema.

Wir haben auch nicht über die Verschärfung der Sanktionen gesprochen. Es gibt ja folgende Situation: Wir haben beim Europäischen Rat im März einen politischen Beschluss gefasst, dass wir die Sanktionen für den Zeitraum der Umsetzung des Minsker Abkommens verlängern werden. Dazu haben wir uns jetzt noch einmal bekannt.

Es gibt ein relativ abgestimmtes Vorgehen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika, auch Japan und den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Wir haben darüber gesprochen, dass wir dieses gemeinsame Vorgehen aufrechterhalten wollen, und deshalb kommen wir in dem Kommuniqué zu den gemeinsamen Schlussfolgerungen.

Frage: Hat es im Zusammenhang mit dem Verzicht auf fossile Energien im Laufe dieses Jahrhunderts noch eine Diskussion über die Nutzung der Atomenergie gegeben? Hat es Bewegung in Richtung Japan gegeben: Zwei-Grad-Ziel, dafür ein bisschen Nachsicht bei der Nutzung der Atomenergie?

BK´in Merkel: Es gibt eine Reihe von Ländern ‑ darüber ist auch gesprochen worden ‑, die sich weiter zur Nutzung der Kernenergie bekennen werden. Das ist Japan, aber auch Großbritannien und Frankreich. Unter den G7-Staaten gibt es also eine ganze Reihe, die das nutzen. Wir haben keinerlei Vorgaben gemacht, dass man aus der Kernenergie aussteigen muss. Das ist eine deutsche Entscheidung, die respektiert wird. Die G7 haben hier aber unterschiedliche Vorstellungen.

Frage: Guten Nachmittag! Ich weiß, dass der globale Klimawandel ein wichtiges Thema für den Gipfel war, und das umfasst die Teilnahme aller Länder. Haben in diesem Rahmen die G7-Länder die Beiträge diskutiert, die China bei diesem globalen Problem leisten kann?

Da China ja auch eine grünere Wirtschaft fördert und möchte, darf ich Sie fragen: Welche Geschäftsmöglichkeiten sehen Sie dort für deutsche Unternehmen?

BK´in Merkel: Wir wissen, dass die G7-Staaten alleine, selbst wenn sie morgen gar keine CO2-Emissionen mehr hätten, das Klimaproblem ‑ das heißt, das Erreichen des Zwei-Grad-Ziels ‑ gar nicht schaffen können. Die Schwellenländer, so zum Beispiel China, müssten dazu beitragen.

Wir freuen uns ‑ das ist auch in unserer Diskussion gewürdigt worden ‑, dass China auch eine Vielzahl von Anstrengungen unternimmt, zum Beispiel seine Ökonomie stärker auf erneuerbare Energien auszurichten. Wir wissen, dass China einen rasanten Aufwuchs von MINT-Energiekapazität ‑ zum Beispiel Solarenergie und Wasserkraft ‑ hat. Das zeigt auch den Wandel an, in dem sich China in Bezug auf seine Energieerzeugung befindet.

China hat deutlich gemacht, dass es sich im Blick auf die Klimakonferenz in Paris zum ersten Mal mit der Frage beschäftigen wird, dass die CO2-Emissionen auch in China nach einer
Phase des Anstiegs wieder zurückgehen werden. Das ist ein sehr wichtiges Bekenntnis. Wir wissen, dass wir eine gemeinsame Verantwortung, aber unterschiedliche Verantwortungen nach unserem Entwicklungsgrad haben. China sagt jetzt aber auch: Es wird der Tag kommen, an dem auch wir unsere Wirtschaft so umsteuern müssen, dass weniger CO2-Emissionen anfallen. Das ist also eine Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und CO2-Emissionen. Ich würde sagen, dass das ein wegweisender Schritt ist. Ich glaube, dass Deutschland durchaus Möglichkeiten hat, hier auch mit Technologien zu helfen. Allerdings hat China auch eine große Fähigkeit bewiesen, eigene Technologien zu entwickeln. So wird man aber auch in einer Win-win-Situation in diesem Bereich sehr eng zusammenarbeiten.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, ich wollte noch einmal auf ein Thema zurückkommen, das Ihnen sehr am Herzen liegt, wie Sie sagten. Das ist der Gesundheitsbereich. Sie sprachen schon die Pandemien an. Auf der Agenda standen explizit die Themen Forschung und vernachlässigte und armutsassoziierte Erkrankungen. Unter den Erkrankungen fasse ich nicht nur die 17 von der WHO aufgeführten, sondern auch Malaria und explizit Tuberkulose. Mehrere Milliarden Menschen sind davon betroffen und leiden teilweise darunter. Konnten Sie konkretisieren, wie national oder auch im Zusammenschluss im Rahmen von G7 zukünftig die Forschungsförderung weiter vorangebracht werden kann? Ich denke, eines konnten wir in Sachen Ebola lernen: Hätte rechtzeitig eine Forschung am Ebola-Impfstoff stattgefunden, hätte womöglich einer schon beim Ausbruch dieser Epidemie zur Verfügung gestanden.

BK´in Merkel: Richtig. Wir werden, wenn Sie Malaria und Tuberkulose ansprechen, uns weiter zum "Global Fund" bekennen, der ja auch die Finanzierung sicherstellt. Bei den vernachlässigten und armutsbedingten Tropenkrankheiten ist oft die Frage der Logistik ganz wichtig. Oft hat man Medikamente, kann sie aber in den Ländern nicht richtig verteilen. Deshalb haben wir uns im Kommuniqué auch so intensiv mit dem Aufbau vernünftiger Gesundheitssysteme und mit einem klaren Bekenntnis zur Unterstützung der Logistik bekannt.

Was die Forschungsanstrengungen anbelangt, geht es vor allem auch um Koordinierung, dass wir untereinander über die Fragen informiert sind: Wo wird geforscht? Was wird geforscht? Wo sind die großen Lücken? Das wird, glaube ich, nach diesem Gipfel besser gemacht werden.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben vor ein paar Jahren gesagt: Spionieren unter Freunden - das geht gar nicht. Nach bestem Wissen und Gewissen: Gilt das auch hier in Schloss Elmau unter den verschiedenen Freunden?

Eine zweite Frage. In ein paar Tagen geht es 50 Kilometer von hier in Bilderberg los. Sind Sie auch dabei oder pausieren Sie nach den Anstrengungen hier in Elmau erst einmal?

BK´in Merkel: Ich pausiere nicht, sondern ich habe andere Verpflichtungen und bin deshalb nicht dabei. Ich wünsche der Bilderberg-Konferenz natürlich sehr viel Erfolg. Ansonsten gehe ich davon aus, dass die Gesprächsinhalte, die wir so intensiv hatten, als Informationsbasis ausreichen, um alles Notwendige über die Haltung der jeweiligen Teilnehmer hier beim G7-Gipfel zu wissen. 

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit heute und während des gesamten Gipfels. Herzlichen Dank!

(Ende: 15.28 Uhr)

Montag, 08. Juni 2015